pumpen spülen schleudern (2013)

Mancher denkt ja, es fängt damit an, dass einer vom Dach springt, ohne auf den Füssen zu landen. Und mancher glaubt, es fängt damit an, dass eine vor der Tür steht mit dem Herz am Arsch. Ich aber sage, es fängt an einem Waschtag an mit dem plötzlichen Gefühl, selbst in der Trommel zu stehen.
In «pumpen spülen schleudern» beschäftigt sich Kumpane mit Wut und Beschönigung.

Trailer (von Peter Kadar)

Premiere 31. Januar 2013, Tanzhaus Zürich, Zürich
Koproduktion Tanzhaus Zürich, Stadttheater Schaffhausen, Phönix-Theater 81
Von und mit Tina Beyeler, Sebastian Krähenbühl Text / Dramaturgie Andri Beyeler Bühne Angelica Paz Soldan Kostüme Diana Ammann Musik Markus Schönholzer Licht Fiona Zolg Auge von Aussen Corsin Gaudenz Übertragung ins Hochdeutsche Michèle Zoller Grafik Adrian Notz Produktionsleitung Kumpane
Mit Unterstützung von Stadt Schaffhausen, Kanton Schaffhausen, Stadt Zürich, Kanton Zürich, Ernst Göhner Stiftung, Migros-Kulturprozent, Fredy & Regula Lienhard-Stiftung, SIG Gemeinnützige Stiftung, Roost-Optik, Pro Helvetia, Schweizerische Autorengesellschaft (SSA)

Es ist Waschtag. Der will genützt sein. Also bevor man aus dem Haus und zur Arbeit geht schnell noch die Maschine füllen im Keller. In dem etwas um sich zu greifen scheint, was man zwar wahrzunehmen glaubt, nicht aber benennen könnte.
Dass die Maschine wider Erwarten und Waschplan belegt ist, hält zwar auf, wirft aber nicht aus der Bahn. Zumal das Programm durch ist, und Nachbarschaftshilfe immer dann am besten funktioniert, wenn sie einem selbst zugute kommt. Doch wie man also fremde Wäsche aufhängt, glaubt man fühlen zu können, wie es sich zu rühren beginnt.
Oder warum stehen jetzt die Vorhaltungen der Partnerin im Raum? Und wieso fällt einem der Rappel der besten Kollegin ein? Was mit den Klagen der Schwester und den Anwürfe des besten Freundes? Und was mit den Beanstandungen des Vaters? Oder sind das die des Chefs?
Also gerade rücken, relativieren. Einordnen. Aber auch sich zugute halten, sich bestärken. Aufwerten. Oder wenigsten ablenken, vorgeben, Hauptsache, Bedenken zerstreuen.
Aber was, wenn plötzlich die Wutbürgerin aus dem zweiten Stock in die Waschküche platzt? Oder der Abwart auf einem seiner berüchtigten Kontrollgänge vorbeikommt? Und wem gehört eigentlich diese Stimme, die man ständig hört? Wessen Arme sind das, die sich da mit einem bewegen? Und wessen Beine? Was steckt einem im Kopf oder in wessen Kopf steckt man überhaupt?
Es ist noch immer Waschtag. Nur dass schon längst nicht mehr klar ist, was da eigentlich gewaschen werden soll. Das plötzliche Gefühl, selbst in der Trommel zu stehen bei auf Schleudern stehenden Zeichen. Und so gerät man in einen Strudel aus nicht erfüllter Bedürfnisse, enttäuschten Erwartungen, verletzten Regeln und Werten, sich dem eigenen Willen in den Weg stellenden Widerstand und der Erfahrung der eigenen Begrenztheit. Man spürt immer weniger festen Boden unter den Füßen, bis man den Boden unter den Füßen schliesslich verloren hat.

Bote vom Untersee und Rhein, 10.12.2013
„Es war ein Event der Spitzenklassen. Es war «Tanz mit Theater» und spielte auf einem sehr hohen Niveau. […] Die Choreographin Tina Beyeler und der Schauspieler Sebastian Krähenbühl gingen mit der künstlerischen Auseinandersetzung neue Wege (hol).“

Thurgauer Zeitung, 7.12.2013
„Die grazile Tina Beyeler tanzt präzise, dynamisch und ausdrucksstark. Ihr Partner Sebastian Krähenbühl, der nebenbei seinen Einmanntext rezitiert, ist ihr körperlich allein in Statur und Gewicht weit überlegen. Diese Ungleichheit gibt dem Stoff jedoch den passenden Akzent, denn oft trägt diese zerbrechlich wirkende Frau sein Gewicht in Haltepositionen, die statisch gut funktionieren. […] Das Ende dieses bedeutungsschwangeren Stückes ist – wie schon einmal bei Kumpane – recht unvermittelt. Das Publikum liess sich aber zu situativen Lachern bewegen, nicht zuletzt auch durch das phantasievolle Bühnenbild, und so sei dieses Stück nicht nur krisengeprüften Paaren und Germanisten empfohlen, sondern auch jenen, die das Tanztheater als eigene Bühnengattung zwischen den Darstellungswelten schätzen (Dorothee Kaufmann).“

Schaffhauser Nachrichten, 6.5.2013
„Tina Beyeler ist eine tanzende Lichtgestalt im Abfluss der Gefühle, zerbrechlich, hilflos, stark, zerrissen und sich aufbäumend. Sebastian Krähenbühl ist hinreissend in seiner Verletzlichkeit, wie er hadert, ringt, seine Figur verteidigt und schliesslich tanzt – so beschwingt, leicht und locker. […] Wie Beyeler und Krähenbühl kontrolliert ausser Kontrolle geraten, das ist ein Fest. […] «Waschen spülen schleudern» lebt von der Mehrdeutigkeit. Es ist ein Wechselbad von Gefühlen und Assoziationen, ein absurder Leckerbissen (Sabine Bierich).“

Schaffhauser AZ, 2.5.2013
„Der Monolog, den Andri Beyeler für Sebastian Krähenbühl geschrieben hat, wird zum Bewusstseinsstrom des Protagonisten und zeigt seine Situation auf, während Verschwiegenes und Verdrängtes ihren Ausdruck in den tänzerischen, akrobatischen Bewegungen von Tina Beyeler finden. […] Der Gedanke, aus dem das Stück entstand, ist «Wut und Beschönigung». «Was macht uns wütend, und wieso zwingen wir uns selbst, nicht emotional zu werden?» Meistens würden wir uns nur ärgern, meint Beyeler, richtige Wut aber wäre ein Anstoss zur Veränderung. «Aber wann kommen wir schon an den Punkt, an dem wir aus Wut wirklich etwas verändern?» Das sei übrigens typisch für Kumpane, schmunzelt sie: Fast immer würden sie bei einem politischen Thema als Ausgangspunkt starten, die Idee aber schliesslich in einer privaten Geschichte verwerten (Nora Leutert).

P.S., die linke Zürcher Zeitung, 07.02.2013
„Das neuste «Kumpane»-Stück handelt vom Anfang, bleibt aber in einer poetischen Schwebe, die nicht definiert, wovon. Von Ende? Von jedem Tag aufs Neue? Die Alltagsszenerie in der Waschküche und die Reduktion auf einen Mann und eine Frau lassen ausgesprochen viele Lesarten zu und das ist richtig anregend. […] Es ist jedes Mal von neuem erfreulich, wie gekonnt «Kumpane» es versteht, die Rollen mit der Physis zu unterstreichen und vermeintliches Ungenügen in Vorteile umzupolen und damit ein stimmiges Ganzes zu erzeugen. Dabei bleiben sie – ob jetzt mit einem linearen Text oder sprunghaften Fragmenten, wie hier – in der Kombination von all dem auf einer universellen Ebene, womit sich alle im Publikum eine für sich passende Lesart aussuchen können, ohne dabei in den Verdacht von Beliebigkeit zu geraten. […] So vielfältig und widersprüchlich wie ein Leben halt… (Thierry Frochaux).“

Tages-Anzeiger, 2.2.2013
„Tanz und Wort fallen ineinander und führen doch ein Eigenleben. Beyeler hängt gefährlich vornüber in den Wäscheseilen, während Krähenbühl wortwörtlich ins Schleudern gerät. Die beiden liefern sich Ringkämpfe, balancieren kühn und federn sich liebevoll ab. Nie war so viel Tanz zwischen Beyeler und Krähenbühl, so viel spielerische Spannung, so viel assoziative Freiheit rund um einen Riesenhaufen ungewaschener Wäsche (Maya Künzler).“

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SRF2 Kultur, 01.02.2013

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Züritipp, 31.1.2013
„Die Reibung ist bei Kumpane augenscheinlich. Beyelers trainierte Physis trifft auf Krähenbühls sperrigen Normalbürgerkörper. Mit Krähenbühls Stimme und seinen schauspielerischen Fähigkeiten wiederum kann es Beyeler nicht aufnehmen. So steht die Frage der Machbarkeit immer mit auf der Bühne, der zur Schau getragene Mangel verleiht dem Gezeigten eine verschroben poetische Note. Und als Zuschauerin fragt man sich: «Könnte ich das auch? So reden? Mich so bewegen?» […] Mag also sein, dass das Interesse an disziplinübergreifendem Arbeiten bei vielen Künstlern (erst) begrenzt existiert. Mag auch sein, dass nicht jeder mit derselben Hingabe an die eigenen Grenzen stösst wie die Kumpane, nicht jede gern das macht, was Krähenbühl am liebsten tut: jenseits von Genredenken «zäme gfätterle. Bis es da isch.» (Corina Freudiger).“

Fotos by Caroline Minjolle (Nr. 1 – 5, 8) and Angelica Paz Soldan (Nr. 6, 7)

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