Für immer und nie (2018)

Mira liegt zur Schlafenszeit im Bett in der Wohnung ihrer Mutter. Das Bett bei ihrem Vater steht in einer anderen Wohnung. Es ist der Abend vor Miras erstem Treffen mit Rico, und sie durchlebt eine Nacht voller Vorfreude und Befürchtungen, Träumen und Wachzuständen, Erinnerungsfragmente und Gedankensprüngen.
Mit Tanz, Tönen und Textfetzen fragt Kumpane nach den Verletzungen und Verlusten, die eine Trennung mit sich bringt, und erkundet gleichzeitig das Befreiende, welches in einer solchen liegt.



Premiere 7. September 2018, Kammgarn West, Schaffhausen
In Koproduktion mit Festival jups Schaffhausen, Phönix Theater Steckborn, Tanzhaus Zürich, Tojo Theater Reitschule Bern
Tanz Tina Beyeler, Lucia Gugerli, Angie Müller Stimme Madlen Arnold Choreographie Tina Beyeler Musik Frank Gerber Text, Dramaturgie Andri Beyeler Begleitung Choreographie Jürg Schneckenburger Bühne Angelica Paz Soldan Kostüme Annina Gull Licht Fiona Zolg Flyer Philipp Albrecht Produktionsleitung Andri Beyeler, Tina Beyeler
Für Kinder ab 9 Jahren und Erwachsene
Mit Unterstützung von Stadt Schaffhausen, Kanton Schaffhausen, Stadt Zürich, Kanton Zürich, SIG gemeinnützige Stiftung, Werner Amsler Stiftung

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d Miranda, / wo wott, / da me ire nüm Miranda seit, / sondern Mira, / d Mira also / liit inere Friitig Nacht im Bett / und cha nid schlofe.
morn goht si zum erschte Mol / mitem Rico go Glacé ässe. / a da mue si tänke. / we da ächt würd / und wes cho isch, / da si da überhaupt macht.
aber au dra, / we da gsi isch, / wo ire Eltere zmol nüm händ wele / go Glacé ässe mit ire. / ämel nid zäme.
und dra, / da si s defür namez ghört hät, / z Nacht, /we s gschritte händ, / und si namez hät müese so tue / als würd si schlofe, / wenn zmitts ime Schriit / öpper i ires Zimmer glueget hät, /öb si chös schlofe.
bis das denn zmol s gheisse hät, / so, / etz hocked mr mol all zäme an Chuchitisch, / und nochane isch nüt meh so gsi / we vorane.
a alles da mue d Mira tänke / i däre Friitig Nacht, / und dra, / wes etz isch, / und cha drum nid schlofe, / wa si ab und zue / zu irem Bäbi blinzle loht, / wo ab und zue zruggblinzlet, / wa d Mira aber nid gseht.

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Der Ausgangspunkt für «Für immer und nie» war Veränderung. Daran fasziniert uns, dass wir Veränderung nur selten im Moment des Geschehens wahrnehmen. Viel häufiger sind wir nach Abschluss eines Veränderungsprozesses damit konfrontiert. Davon ausgehend haben wir nach Beispielen von prägnanten Veränderungen gesucht und sind dadurch beim Thema Trennung gelandet.
Wir interessieren uns für das Befreiende, das eine Trennung mit sich bringen kann. Für den Aufbruch, der in ihr liegt, und die Luft, die wir uns damit verschaffen. Selbst wenn wir wissen, dass wir mit unserem Entscheid auch für andere entscheiden, und dass wir mit diesem unserem Handeln andere verletzen, sie darunter zu leiden haben.
Entsprechend interessieren wir uns auch für den Verlust von Sachen, Zuständen und Beziehungen, die man nicht verlieren wollte. Die Ohnmacht, die wir empfinden, wenn sich jemand von uns trennt. Dass wir uns abgeschnitten fühlen und um Handlungsspielraum beraubt sehen. Wenn wir nach einem gemeinsamen Weg auf einmal einsam in der Landschaft stehen und mit etwas konfrontiert sind, das wir uns nicht selbst ausgesucht haben.
Wir beschäftigen uns damit, was wir hinsichtlich einer Trennung steuern können, was nicht und was nicht mehr. Und wir fragen uns, von wem wir uns wünschen, dass sie sich endlich trennen mögen.

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Schaffhauser Nachrichten, 10.09.2018
„In «Für immer und nie», so der Titel des Stücks, werden Bilder gebaut, die zum Nachdenken anregen. Das Stück ist ein getanzter Dialog zwischen der Innen- und der Aussenwelt von Mira, und so ist auch die Musik von Frank Gerber psychedelisch gesetzt. Rhythmen, Klänge und Bewegungen werden zu Reflexionsebenen. […] Die Tänzerinnen stellen im fliegenden Wechsel einmal die Eltern von Mira und Mira selbst dar, so in einem wunderbaren Pas de deux mit Kisten auf dem Kopf. Am Küchentisch sitzend eröffnen sie Mira eindrücklich, dass sie sich trennen. Sie tanzen auch ihre Schulfreunde. Markieren als solche die Schulfreundin genauso wie die nach männlicher Identität suchenden Jungs. Fein herausgearbeitet sind dabei das unsichere, werbende, machohafte Gehabe der Jungen sowie die schwankenden Gefühle der Mädchen. Immer wieder hören die Zuschauer Miras Gedanken aus dem Off (Sabine Bierich).“

schaffhauser az, 06.09.2018
„«Für immer und nie» ist aus der Perspektive der Heranwachsenden Mira erzählt, die selbst die Vorfreude auf die ersten Liebesgefühle durchlebt und sich fragt, was das ändern wird. Und weil die Liebe nie nur einfach ist, denkt sie an ihre Eltern, die sich getrennt haben. Eine Situation, mit der viele Kinder und Jugendlichen konfrontiert sind und bei welcher die Sicht der Erwachsenen meistens die einnehmende, die bestimmende ist.
Kumpane schafft es, das Thema altersgerecht zu vermitteln, ohne mit abgenutzten Klischees zu hantieren und ohne das klassische Erwachsenen-Kind-Machtgefälle zu bemühen. Das Publikum, auch wenn jung, wird auf Augenhöhe abgeholt und in die Geschichte hineingezogen. Nichts wirkt belehrend, keine Moral wird am Schluss präsentiert. Das ist erfrischend unpädagogisch.
Bewegungen, Synchronizität, Musik und Sprache werden im Medium Tanztheater vereint und transportieren Emotionen auf eine sehr natürliche Art und Weise, die auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer zum körperlichen Erlebnis wird. Die Haut kribbelt, man geht mit dem Takt mit, man lacht und denkt nach. Das liegt auch an den drei Tänzerinnen, die auf der Bühne zu sehen sind. Die ältere Tina Beyeler ist erfahren, präzise, die jüngeren Lucia Gugerli und Angie Müller tanzen kraftvoll und verausgabend. Zu dritt strahlen sie eine ansteckende Energie aus (Romina Loliva).“

Schaffhauser Nachrichten, 03.09.2018
Das Bühnenbild „ist einfach und raffiniert zugleich, besteht im Wesentlichen aus Linien und Würfeln und erinnert ein wenig an die Bilder eines Piet Mondrian. Aber ohne die typischen Farben. Mit den Würfeln werden ständig neue Räume und Abgrenzungen kreiert, man tanzt und turnt auf und mit ihnen oder schlüpft in sie hinein. […] Es sind verschiedene Stimmungen, die die Tänzerinnen Lucia Gugerli und Angie Müller umsetzen. Auch Tina Beyeler, die für die Choreografie verantwortlich ist, tanzt mit. […] «Das Ende einer Beziehung birgt auch immer neue Chancen», sagt Beyeler, «Es ist Aufbruch darin, und wir können uns Luft verschaffen. Das alles soll das Stück ausdrücken.» So organisieren sich die Mitwirkenden auf engstem Raum und drücken mit Gesten und Bewegungen Gefühle aus, derweil immer wieder Textfetzen zu hören sind. «Die Texte bieten dem Publikum einen konkreten Ausgangspunkt, sodass es von diesem aus in einen tänzerisch-assoziativen Erlebnisraum abtauchen kann.» (Edith Fritschi).“

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Fotos by Angi Paz Soldan

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